Aktuelle Informationen zur Luft- und Wasserhygiene

Aktuelle Informationen zur Luft- und Wasserhygiene

Luft im Klassenzimmer als Risiko - TA

BBZ Miriam BrasselLehrpersonen setzen im Kampf gegen Corona vor allem auf eines:
Lüften.
Dafür wollen immer mehr Schulen Messgeräte einsetzen. Doch es gibt Lieferengpässe – und jetzt kommt der Winter.

pdf>> TA pdf-Seite 3      >> Tagesanzeiger 

Quelle TA, Yann Cherix

Sie macht die Tour zweimal jede Woche. Vier Stockwerke, 100 Meter lange Gänge, 39 Zimmer.

Mirjam Brassel schaut dann immer mal wieder durch eine der Türen und fragt in den Raum: «Wie läuft es mit dem Lüften? Versucht ihr regelmässig daran zu denken?» Die Worte der Abteilungsleiterin gelten den Lehrpersonen. Sie haben ein weiteres Ämtli in bereits anspruchsvollen Zeiten: Die Lehrkräfte müssen dafür sorgen, dass in den Klassenzimmern der Baugewerblichen Berufsschule Zürich alle 20 Minuten die Fenster aufgerissen werden. Die Türen bleiben stets geöffnet. Es soll richtig durchziehen, die ausgeatmete Luft ausgetauscht werden.

Luftschläge gegen das Virus

Es ist ein Kampf gegen einen unsichtbaren Gegner. Er wird in der Zürcher Berufsschule wie auch in allen anderen Institutionen mit Präsenzunterricht zunehmend intensiver geführt. Der Winter kommt. Es geht darum, mögliche Krankheitserreger hinauszuspedieren oder zumindest die Luft in den Klassenzimmern mit möglichst viel frischer zu verdünnen. Das Risiko, sich über kontaminierte Aerosole, also feinste Schwebeteilchen, mit Corona anzustecken, soll so vermindert werden. Paracelsus sagte einst: Die Dosis macht das Gift.

In den sozialen Medien macht das Bundesamt für Gesundheit (BAG) gerade mit einem peppigen Filmli Werbung für ausgiebiges Lüften. Es wäre ein Leichtes, sich darüber lustig zu machen: Frischluft als Waffe gegen das Virus; Luftschläge gegen einen übermächtigen Gegner. Doch mittlerweile gilt als gesichert, dass das ständige Austauschen der Luft in Innenräumen durchaus effektiv ist.

Gemäss einer kürzlich veröffentlichen Studie der Technischen Universität Berlin liegt das Ansteckungsrisiko in einem Schulzimmer im Verlauf eines normalen Schultags bei etwa 10 Prozent - sofern alle 20 Minuten gelüftet wird. Wird nur ungenügend Frischluft zugeführt, könne das Risiko auf bis zu 50 Prozent ansteigen.

Wie gross das Risiko einer Ansteckung mit Covid-19 in schlechter Luft tatsächlich ist, versucht die Wissenschaft gerade zu klären. Das BAG will im Gegensatz zu den deutschen Kollegen keine konkreten Zahlen nennen. Auf Anfrage stellt die Schweizer Behörde nur klar, dass «in schlecht gelüfteten Räumen virushaltige Aerosole aufkonzentrieren und zu einem Übertragungsrisiko führen können».

Die Lösung, klar, ist: lüften.

Der erste Corona-Winter in Schweizer Schulzimmern wird für Schülerinnen und Schüler kalt werden - und zugig. Das hält auch Mirjam Brassel für unumgänglich. Denn nur so könne der Präsenzunterricht, der für ihre Schüler so wichtig sei, in den nächsten Monaten aufrechterhalten werden können.

Zugige Lernatmosphäre

Brassel ist die Vorgesetzte von 160 Lehrpersonen, von denen einige Lüftungstechniker sind. Diesen Profis braucht sie die Vorzüge von Frischluft nicht mehr erklären. Es brauchte auch nicht erst Corona, um dem Thema Frischluft das nötige Gewicht zu verleihen. Alle wissen hier, dass die Luft in Schweizer Schulzimmern oft zu schlecht ist. Seit Jahren schon.

Bereits 2013 hatte das BAG in einer gross angelegten Untersuchung festgestellt, dass in zwei Dritteln der Schweizer Schulzimmer der CO2-Gehalt zu hoch sei. Die Gründe sind vielfältig: Die Klassengrössen wurden in den vergangenen Jahren kontinuierlich angehoben. Meist blieben die Fenster nicht genug lange geöffnet, vor allem in der kalten Jahreszeit. Zudem gab es oft auch bauliche Gründe. Denn viele der über 100’000 Schweizer Schulzimmer sind alt. Die Installation einer guten Lüftungsanlage kann gut 20’000 Franken pro Zimmer kosten.

Das BAG kam zum Schluss: Es besteht Handlungsbedarf. Es startete eine Informationskampagne und propagierte das Messen des CO2-Werts. Mit Erfolg. Dort, wo gemessen wird, verbesserte sich binnen kurzer Zeit die Luftqualität. Ist das Problem sichtbar, wird eher gehandelt.

Messen!

Es ist das, was Martin Bänninger schon seit Jahren fordert. Inzwischen haben seine Worte eine neue Dringlichkeit erhalten. Endlich wird der Mann vom Schweizerischen Verein für Luft und Wasserhygiene erhört. Überzeugungsarbeit für Geräte, die das CO2 in der Luft messen, muss der Verein keine mehr machen. Der Kanton Waadt hat gerade 200 bestellt, die mit einer App verbunden sind. In der Zürcher Gewerbeschule gehören die Messstationen längst zum Inventar.

400 Franken pro Gerät

Bänninger sitzt im Büro von Mirjam Brassel und zeigt farbige Diagramme (unten von SRF-Artikel). Es sind die CO2-Messwerte aus den Klassenzimmern der Gewerbeschule. Begeistert zeigt er auf mehrere Ausschläge nach unten. «Hier wurde gelüftet. Hier auch. Und hier sind offenbar alle aus dem Zimmer gegangen.» Meist blieben die Messwerte unter 1'000 Anteile pro Million (ppm) - die magische Grenze der Luftqualität. Laut dem BAG gilt alles, was darunter liegt, als hervorragend. Über 2'000 ppm ist inakzeptabel. Martin Bänninger: «An dieser Schule sind diese hohen Werte nicht annähernd erreicht worden.» Ein lobender Blick zu Abteilungsleiterin Brassel. Diese nickt dankbar unter der Maske. Note sechs.

Trotzdem sind weitere Verbesserungen geplant. 30 Messgeräte hat Brassel bereits vor Wochen bestellt. Diese zeigen, im Gegensatz zu jenen mit der App, die CO2-Werte und jene der Luftfeuchtigkeit für alle sichtbar gross auf einem Display an. 400 Franken kostet ein solches Gerät der Schweizer Firma Rotronic. Noch wartet Brassel sehnlichst darauf. Die Firma meldet Lieferengpässe.

Alle wollen messen. Denn Corona bleibt. Und der Winter kommt.

BBZ Schulzimmer mit CO2 Messung

 

Luftqualität im Schulzimmer und zu Hause: Das müssen Sie wissen

Welche Rolle spielen Schulen bei der Verbreitung von Corona?

Wo Menschen zusammenkommen, kann es zu Ansteckungen kommen. In Frankreich demonstrierten Lehrpersonen wegen der Risiken am Arbeitsplatz. In Österreich gibt es derzeit keinen Präsenzunterricht. Die Wissenschaft schätzt die Schulen in Bezug aufs Ansteckungsrisiko unterschiedlich ein. Laut einer jüngst veröffentlichten Studie der Uni Zürich scheinen Kinder aber zumindest kein starker Treiber der Pandemie zu sein. Sie zeigen auch kaum Symptome. Die spanischen Behörden sprechen davon, dass nur sechs Prozent der Fälle auf Schulen mit Kindern zurückgehen.

Nützt Lüften in den Klassenzimmern?

Ja. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) setzt neben dem Maskentragen gerade in den Schulen stark darauf. Wie sehr das Öffnen der Fenster das Risiko tatsächlich mindert, ist eine komplexe wissenschaftliche Frage. Das BAG will keine Zahlen nennen. Konkret wird eine Studie der Uni Berlin, die von einer Verminderung von bis zu 40 Prozent spricht. Denn mit Frischluft nimmt der Virendruck (mittels Aerosolen) ab.

Warum ist das Messen von CO2 wichtig?

Laut BAG ist Kohlenstoffdioxid ein einfacher Indikator für die Raumluftqualität in stark belegten Räumen. Die Behörde gibt aber auch zu bedenken: Vom CO2-Pegel in einem Raum kann nicht direkt auf das Ansteckungsrisiko (über Aerosole) geschlossen werden. Sicher ist: Die ständige Erneuerung der Raumluft verdünnt nicht nur den Anteil möglicher Viren, sondern steigert auch die Konzentrationsfähigkeit der Schüler um bis zu 15 Prozent.

Was bringen mobile Luftreiniger?

In Deutschland wird gerade heftig über Sinn und Unsinn dieser Filtersysteme gestritten. Manche behaupten, dass solche Geräte die Viruslast um bis zu 90 Prozent senken würden. Andere be zweifeln das, erwähnen den Lärm und die hohen Kosten (über 3'000 Franken pro Schul-Zimmer, plus ca 300 Fr. jährlich für Filter) und glauben, dass die Fensterlüftung am meisten bringt. Das sieht auch der Schweizerische Verein für Luft und Wasserhygiene so. Der Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz fordert den Einsatz solcher Geräte. Die Kantone geben keine Empfehlungen ab. 
pdf>> Stellungnahme zu Luftreiniger von D-Umwelt-Bundesamt

Welche Rolle spielt die Luftfeuchtigkeit?

Dieser Aspekt wird wenig diskutiert. Das BAG sagt auf Anfrage: «Eine verbesserte Durchlüftung führt an kalten Tagen dazu, dass die Raumluft trockener ist. Wir gehen davon aus, dass Lüften das Risiko durch Aerosole deutlich stärker reduziert, als es durch das Sinken der Raumluftfeuchte mutmasslich erhöht werden könnte.» Dass ein Temperaturabfall das Übertragungsrisiko erhöht, ist jedoch aus den fleischverarbeitenden Betrieben bekannt. Forschende des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung in Leipzig und des CSIR-National-Physical-Laboratory in Delhi haben zehn internationale Studien zum Thema analysiert. Sie empfehlen, die Raumluft zu kontrollieren. Eine relative Feuchte von 40 bis 60 Prozent könne die Ausbreitung der Viren und die Aufnahme über die Nasenschleimhaut reduzieren. 
>> mehr über Luftfeuchte von SVLW

Was kann man zu Hause tun?

Regelmässig lüften, möglichst mit Durchzug, damit die Luft ausgetauscht wird. Laut Weltgesundheitsorganisation, die den Luftaustausch auf Covid-Stationen regeln will, sollte in einem 20-Quadratmeter-Wohnzimmer alle sieben Minuten gelüftet werden. Wohl reicht aber auch alle halbe Stunde. Klare Vorgaben gibt ein CO2-Messgerät. Ein Wert bis zu 1'000 Anteile CO2 pro Million Moleküle ist laut BAG hervorragend. Darüber gilt: lüften!

 

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